Magische Würfel – Merlin von Stefan Feld und Michael Rieneck (Queen Games, 2017)

Lesezeit: 6 Minuten

Scheitern als Chance begreifen. Wie oft hört man das? Bei Merlin von Stefan Feld und Michael Rieneck gehört das geflügelte Wort zum “Entstehungsmythos”. Aber dazu später mehr…

Magier? Würfel? Klingt nach meinem Thema. Dazu noch Stefan Feld. Ich war direkt interessiert als ich davon hörte. Der eine oder andere wendet sich ob der Punktesalat-zubereitenden Spiele des süddeutschen Physiklehrers angewidert ab, ich jedoch freute mich auf einen „echten Feld”. Und dann stand ja noch Michael Rieneck auf der Packung… Was hat der eigentlich vorher so erfunden? Kenne ich was von dem? Ach ja, Ken Follett, stimmt ja. Die Säulen der Erde errichte ich durchaus auch immer noch gern. Ob diese Zusammenarbeit hält was sie verspricht und was das alles mit Scheitern zu tun hat? Lest selbst…


Wie es gespielt wird

Zentraler Aktionsplan bei Merlin von Queen Games

Zentrales Aktionsrad – Die Würfel sagen, wo es langgeht

Der zentrale Antrieb ist ein Würfelmechanismus, bei dem jeder Spieler vier Würfel – drei in Spielerfarbe und einen weißen Würfel – wirft und diese für die Aktionen in seinem Spielzug verwendet.
Mit den Würfeln in Spielerfarbe kann man seine eigene Spielfigur auf dem Aktionsrad des zentralen Spielplans im Uhrzeigersinn bewegen, mit dem weißen Würfel kann man Merlin in eine beliebige Richtung bewegen. Das Feld auf dem eine Spielfigur oder Merlin stehen bleibt, wird “ausgelöst”. Zu unterscheiden sind dabei Aktionsfelder, die eher einfache Effekte ermöglichen, wie beispielsweise Punkte für Wappen oder Waren, das Bauen eines Landsitzes etc. und eher spezielle Aktionen an den unterschiedlichen Grafschaften. Letztere erlauben es, einen der vier Gefolgsleute einzusetzen und so Einfluss zu erlangen, Waren zu bekommen, Soldaten (dargestellt durch Schilde) anzuwerben oder ein Wappen-Banner auf meiner Burg zu hissen. Jedes der vier Elemente ist dabei für sich sehr wertvoll.

Spielertableau von Merlin bei Queen Games

Spielertableau von Merlin (hier mit optionalem Erweiterungsmodul)

Die Banner bringen mir Sonderfähigkeiten, die ich einmalig einsetzen kann. Dazu zählt beispielsweise das Drehen eines Würfels oder eine Bewegung mit meiner Figur gegen den Uhrzeigersinn.

Die Schilde braucht man, um in jeder zweiten Runde Angreifer abzuwehren.

Die Baustoffe werden für das Errichten der Rittergüter im Umland benötigt und bringen Punkte in der Wertungsphase.

Das Erlangen von Einfluss in den verschiedenen Grafschaften bringt mir ebenfalls Punkte in der späteren Wertungsphase.

Alle zwei Runden findet nämlich eine solche Wertungsphase statt, die wiederum aus verschiedenen Elementen besteht. Zunächst müssen die Verräter mit passenden Schilden oder entsprechenden Sonderfähigkeiten abgewehrt werden (für jeden nicht abgewehrten Verräter gibt es drei Minuspunkte). Dann gibt es Punkte: Für jeden auf dem Spielplan befindlichen Gefolgsleute-Marker einen Punkt. Für die Einflussmarker in den Grafschaften gibt es Punkte für den Spieler, der die Mehrheit in einem Gebiet hat. Ebenfalls eine Mehrheitenwertung gibt es bei den Rittergütern im Umland.

Merlin von Queen Games

Merlins Zauberstäbchen können viele Punkte bringen

Merlin ermöglicht mir im Verlauf einer Runde durch das Einsetzen eines der drei Zauberstäbchen, eine Aktion doppelt auszulösen. Das kann in der einen oder anderen Situation schon mal sehr hilfreich sein und einen ganzen Sack an Punkten bringen oder Mehrheiten bei den Rittergütern festigen bzw. verschieben. Nicht eingesetzte Zauberstäbchen sind am Spielende jeweils zwei Punkte wert.

Während des laufenden Spiels erhält man dann noch Punkte durch das Erfüllen der Aufträge, derer vier man immer auf der Hand hält. Dabei muss man beispielsweise bestimmte Schilde, Banner oder Rohstoffe sammeln oder Einfluss an bestimmten Burgen haben. Die geforderten Waren, Banner etc. muss man jedoch nicht abgeben, sondern nur vorweisen können. Die Aufträge bringen so zwischen einem und drei Punkten.

Nach sechs Runden und drei Wertungen endet das Spiel. Es gibt noch mal Punkte für nicht eingesetzte Materialien und der Spieler mit den meisten Punkten gewinnt dann (überraschenderweise) das Spiel.

Und was bitte hat das nun mit “Scheitern” zu tun? Dazu muss ich etwas weiter ausholen. Ich hatte auf der SPIEL’17 Gelegenheit die beiden Autoren persönlich kennenzulernen und sie zu ihrer Zusammenarbeit zu befragen. Diese ergab sich eigentlich erst durch gemeinschaftliches Scheitern. Michael Rieneck sollte eine Buch-Verspielung (ein toller neuer Fachausdruck!) machen und legte seine Idee dazu dem Verlag vor. Die Idee wusste dem Verlag jedoch nicht zu gefallen. Als nächstes sollte sich Physiklehrer Stefan Feld daran versuchen. Aber auch er konnte mit seiner Idee beim Verlag nicht landen. Da sich die Autoren untereinander gerne und häufig austauschen, wussten die beiden natürlich, dass sie sich erfolglos an der selben Buch-Verspielung versucht haben. So dachten sie sich, dass sie es ja mal gemeinsam versuchen könnten. Aber, man mag es kaum glauben, auch die gemeinsame Arbeit stieß nicht auf Gegenliebe. Aber die bereits erarbeiteten Ideen der gemeinsamen Arbeit gefielen den beiden sehr und so beschlossen sie, trotz maximaler räumlicher Trennung (Nord- vs. Süddeutschland), gemeinsam ein Spiel zu entwickeln. Dank fortschrittlicher Kommunikationstechnologien war dies gut realisierbar und ist mittlerweile ja auch häufiger üblich. Und so entstand Merlin. Dabei testeten sie das Spiel, das sie anfangs noch Barbaren-Manager nannten, in unterschiedlichen Spielgruppen (quasi Nord vs. Süd) und mussten alle Anpassungen an den Prototypen (es gab natürlich zwei davon) stets parallel umsetzen. Das Ergebnis dieser gemeinsamen Arbeit liegt nun vor uns auf dem Tisch. Die beiden scheinen sich wirklich gut zu verstehen und ich habe irgendwie das Gefühl, dass dies nicht die letzte Zusammenarbeit war…

Was uns gefallen hat

Spielplan und Spielertableau von Merlin bei Queen Games

Zu viert braucht man schon etwas Platz auf dem Tisch

Der Grundmechanismus von Merlin ist sehr simpel und lässt keine Fragen offen – Würfel nehmen, laufen, Aktion ausführen. Hat man erst mal alle Symbole und Icons verinnerlicht, gibt es auch nur noch wenige Fragen. Das Erfüllen der Aufträge und die Zwischenwertungen zeigen schon mal auf, wohin die Reise geht und wer vorne liegt, das ist gut für die Orientierung im laufenden Spiel.
So einfach das Spiel auch scheint, so komplex ist es in seinen Möglichkeiten. Wann welche Würfel genutzt und welche Banner für Sonderfähigkeiten eingesetzt werden, will wohl bedacht sein.
Dazu gilt es darauf zu achten, dass man durch seine Spielzüge mit Merlin nicht dem Gegner Zugang zu interessanten und vielleicht gewinnbringenden Aktionen ermöglicht.
Insgesamt ein typisches Spiel von Stefan Feld. Denn auch wenn es eine Gemeinschaftsarbeit war, merkt man hier an einigen Elementen, dass er mit am Werke war.
Lobenswert ist, dass direkt ein Erweiterungsmodul beiliegt, wodurch das Spiel noch mal um ein paar Elemente angereichert wird. Durch das Modul kann man die einzelnen Gefolgsleute „ausbilden“, so dass sie zusätzliche Fähigkeiten erhalten, die mehr Punkte oder andere Vorteile im Spiel liefern. Ist natürlich nicht unbedingt notwendig, aber wer gerne noch mehr Elemente jonglieren möchte, der kann hier durchaus noch mal eine kleine Schippe drauflegen.
Das Material sowie die Grafik von Dennis Lohausen sind gelungen und die Symbolik in den meisten Fällen eindeutig. Die Regel ist fehlerfrei und gut geschrieben – leider immer noch keine Selbstverständlichkeit heutzutage. Alle möglichen Fragen während des Spiels konnten mit ihrer Hilfe geklärt werden.

Was uns nicht gefallen hat

Merlin bei Queen Games

Diese junge Maid hält Würfelmanipulatoren  für die Ritter bereit

Würfel und “Strategie”spiele – ein Geschichte voller Missverständnisse. Aber auch bei diesem Spiel gibt es sie, die Situationen, in denen die Würfel den Zug oder sogar mehrere Züge vermiesen. Durch die Vielzahl an Zügen (insgesamt 24 Züge in 6 Runden) gleicht sich vieles zwar aus, dennoch gibt es ja einen Grund, warum ein Drilling neu geworfen werden muss. Wir hatten sogar den Fall eines Doppelpaschs mit 1ern und 2ern. Das war auch irgendwie ein etwas schwieriger Wurf. Hier sollte es zumindest die Option geben, immer einmal ganz oder teilweise nachwürfeln zu dürfen, wenn man das will. Kurzum, die Würfel können auch mal gegen einen laufen.

Gegen Ende verliert das Spiel zudem ein wenig an “Drive”, da man nur noch kurzfristig orientiert auf das nahende Ende hinspielt und nicht mehr die langfristiger ausgelegten  Aktionsfelder anpeilt. In den ersten Partien war das extrem, da wir auch keine Banner mehr hatten, um die Würfel in unserem Sinne zu manipulieren. Da sollte man auf jeden Fall dran denken, sonst landet man am Ende zu häufig auf Feldern, die einen nicht mehr vorwärts bringen.

Zu zweit funktioniert das Spiel meines Erachtens nur bedingt. Der Aspekt der Mehrheitenwertung durch die Einflusssteine in den Grafschaften kommt meines Erachtens erst ab drei Spielern richtig zum Tragen. Zu zweit ist da einfach zu viel Platz. Vielleicht hätte man hier noch mal über Spielerzahl-abhängige Wertungen der Burgen nachdenken sollen. Schließlich verkleinert man die Fläche bei den Landsitzen ja auch, was dort wiederum sehr gut funktioniert.

Die grafische Gestaltung gefällt mir zwar grundsätzlich, dennoch ist das Spielbrett sehr voll und etwas erschlagend. Da hätte ich mir hier und da etwas mehr Klarheit gewünscht, stimmungsvolle Kulisse hin oder her.

Und dann noch ein kleines First World Problem: Ein Spiel mit einer solchen gigantischen Menge an Plättchen, Markern und anderem Pappteilen braucht Organisation. Dass nicht mal Druckverschlussbeutel beilagen, war schon etwas nervig. Gut, ich habe davon in der Regel ausreichend im Haus, aber das ist ja nicht bei jedem, der dieses Spiel kauft, der Fall. Hier muss Queen Games noch mal nachbessern bei zukünftigen Auflagen. Aber vielleicht erbarmt sich ja auch einer der zahlreichen Hersteller für luxuriöse Board Game Inserts einen solchen für Merlin zu designen. Nötig wäre es…

Fazit

Wer Feld-Spiele mag, wird auch Merlin mögen. Es ist ein Punktefest und man kann an allen Ecken und Enden Punkte bekommen. Dem ein oder anderen mag das nicht behagen und die Interaktion etwas zu kurz kommen, wer aber Stefan Felds klassische Spiele mag, der wird auch Merlin mögen. Auch wenn das Thema natürlich draufgesetzt ist, hat Queen Games hier mit den Grafiken von Dennis Lohausen ein stimmiges Paket geschnürt. Und dass gleich noch ein Erweiterungsmodul beiliegt, ist auch lobend zu erwähnen, macht es das Spiel für Vielspieler noch mal interessanter und langfristig ausreichend variantenreich. Merlin wird sicherlich bei mir gerne auf den Tisch kommen – die richtigen Mitspieler vorausgesetzt.

Vielen Dank an Queen Games für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

Links zu Merlin

Homepage von Queen Games

Merlin bei Boardgamegeek

Kurzübersicht von cliquenabend.de

November 30th, 2017 by