Krötenschleim und Spinnengift – Die Quacksalber von Quedlinburg von Wolfgang Warsch (Schmidt Spiele, 2018)

Rezension Quacksalber von Quedlinburg Würfelmagier Wuerfelmagier Lesezeit: 5 Minuten

Wolfgang Warsch. Ein Name, vier Spiele. Alle im Frühjahr 2018 erschienen. Alle unterschiedlich. Und keines ein Totalausfall. Da kann man nur den Hut ziehen! Das haben wenige Autoren geschafft. Dazu noch drei Nominierungen beim begehrten Spiel des Jahres Preis. Ein echter Senkrechtstarter – aber hoffentlich kein Ikarus.

Die Quacksalber von Quedlinburg, erschienen bei Schmidt Spiele, ist das größte Werk des Autors aus der aktuellen Frühjahrskollektion – zumindest was die Schachtel angeht.

Wer sich nun fragt, wer dieser Wolfgang Warsch überhaupt ist und was ihn umtreibt, der sollte sich mal auf die Seite brettspielbox von Kollege Christoph verirren.

Jetzt aber auf an die Brautöpfe und frisch gequacksalbert…


Wie Die Quacksalber von Quedlinburg gespielt wird

Zu Beginn sitzen alle Spieler vor ihrem Brautopf mit einem identisch gefüllten Zutatenbeutel. Darin finden sich zu Beginn des Spiels einige Knallerbsen, ein Kürbis und eine Spinne. Alles identische Pappmarker, die sich haptisch nicht unterscheiden. Im Spielzug zieht jeder Spieler – das Ganze läuft simultan – eine Zutat nach der anderen aus seinem Beutel heraus. Die Wertigkeit der Zutat (von 1 – 4) gibt vor, wie weit der Zutatenchip auf der Spirale des Brautopfes nach vorne wandert. Eine 2 bringt zwei Schritte, eine danach gezogene 3 weitere weitere drei Schritte und so weiter. So arbeitet man sich Schritt für Schritt vor und der Topf füllt sich langsam. Doch Vorsicht! Liegen Knallerbsen im Wert von mehr als 7 in dem Topf, fliegt das Gebräu in die Luft.

Das muntere Zutatenziehen geht so lange weiter, bis die Spieler sich entschieden haben, dass sie nicht mehr ziehen möchten oder ihnen die Suppe um die Ohren geflogen ist. Dann ist die erste von neun Runden fast zu Ende. Nun werden noch verschiedene kleinere Schritte in festgelegter Reihenfolge abgehandelt. Zunächst erhält der Spieler, der am weitesten gekommen ist, einen Bonus, den er mit einem Würfel auswürfelt. Dann werden die Effekte bestimmter Zutaten abgehandelt. Anschließend wird geschaut, ob einer oder mehrere Spieler vor einem Feld mit einem Rubin gestoppt haben, wenn ja, erhalten sie einen solchen. Dann erhält man die Punkte des Feldes vor dem man gestoppt hat und kann für einen bestimmten Wert weitere Zutaten kaufen. Alle Spieler deren Trank explodiert ist, müssen sich entscheiden: Punkte kassieren oder einkaufen. Schlussendlich kann man noch Rubine ausgeben, um seine Ausgangsposition beim Brauen zu verbessern und so nicht auf Feld 0 der Brauspirale zu starten. Und schon geht es in die nächste Runde und alles wieder von vorne los.

Die Zutaten haben dabei unterschiedlichste Effekte. So erhält man beispielsweise beim Ziehen eines Vogelschädels die Möglichkeit weitere Zutaten zu ziehen und zu entscheiden, ob man eine davon platzieren möchte oder sie wieder in den Beutel zu werfen. Ich werde nun nicht alle Sondereffekte aufzählen, denn diese sind nämlich recht vielfältig und können in vier unterschiedlichen Sets oder in freier Zusammenstellung gespielt werden. Viel Varianz also in der Gestaltung der persönlichen Brauregeln.

Nach der neunten Runde wird wie vorher auch gewertet und überzählige Rubine können noch in Punkte umgewandelt werden. Wer dann vorne liegt, gewinnt.


Was uns an Die Quacksalber von Quedlinburg gefallen hat

Die Quacksalber von Quedlinburg erfüllt alle Anforderungen an ein nahezu perfektes gehobenes Familienspiel. Es ist schnell gelernt. Es gibt nahezu keine Wartezeiten in den Runden, da alles parallel verläuft. Es hat einen hohen Aufforderungscharakter und eine gute Haptik. Es ist blitzsauber produziert. Es hat einen ausreichend hohen Glücksanteil, damit auch mal ein glücklicher Zug aus dem Beutel die Runde rettet.
Die Quacksalber von Quedlinburg ist aber auch ein gutes Spiel für Vielspieler, denn es bietet ausreichend Varianz durch die vielen unterschiedlichen Effekt-Kombinationen der Zutaten. Es hat gleich eine Variante auf der B-Seite dabei, die einen anderen Mechanismus bedient. Viel Potenzial, um viel auszuprobieren. Zudem so schnell gespielt, dass es fast als Absacker dienen kann.

Geht auch mit Kindern ab etwa 9 Jahren schon gut…

Was mir auch gefällt – und ich denke das machte einen großen Reiz des Spiels aus: Es weckt ganz viele Emotionen durch das geheime Ziehen der Zutaten. Die Freude und der Ärger über glückliche und unglückliche Händchen sind schon grandios („F***!!!! Schon wieder ne Knallerbse!“). Die Spannung, was man wohl als nächstes aus dem schwarzen Beutel zieht, das ist das Salz in der Suppe Spinnenbein im Zaubertrank

Wolfgang Warsch hat hiermit meines Erachtens bereits in einem so frühen Stadium seiner Autorenkarriere ein (weiteres?) nahezu perfektes Design vorgelegt. Vor allem die Integration des Aufholmechanismus ist super – erinnerte mich ein wenig an Isle of Skye und so viel ich weiß sind A. Pfister und W. Warsch sich durchaus auch bekannt – und sorgt tatsächlich für ein effektives Aufschließen der Zurückliegenden. Denn je weiter einer der Mitspieler enteilt ist, desto weiter darf ich meinen Ratten-Marker auf der Zaubertrankspirale nach vorne schieben. So wird ein zu glückliches Händchen des einen ganz schnell zur Freude der Mitspieler umgewandelt. Ganz schön clever, Herr Warsch!


Was uns an Die Quacksalber von Quedlinburg nicht gefallen hat

Es gibt so Spiele, da muss man lange spielen und überlegen, was man kritisieren könnte. Die Quacksalber von Quedlinburg ist so ein Fall. Zu gut gefällt mir das ganze Design des Spiels – optisch und mechanisch – und zu perfekt füllt es die Nische zwischen Familien- und Kennerspielern. Und vielleicht ist dies sein einziges Problem. Dem Viel- und Kennerspieler ist es nicht kurz genug für einen Absacker und zu wenig komplex, um als einzelnes Spiel den Spieleabend unter der Woche zu gestalten. Der Familienspieler jedoch ist (zunächst) abgeschreckt von der hohen Varianz, die das Spiel bietet. Hier wäre weniger vielleicht mehr gewesen und ein Bücherset für die Sonderfähigkeiten hätte wohl dem Familienspieler auch gereicht. Umso schöner für die Vielspieler, dass Schmidt Spiele die Erweiterung für Die Quacksalber von Quedlinburg quasi direkt mitliefert und nicht auf einen späteren Zeitpunkt als Mini-Erweiterung verschoben hat. Das Spiel bietet ohnehin noch viel Ausbaupotenzial für neue Zutaten und Büchersets.

Ein zweiter Punkt, der natürlich nicht dem Spiel, sondern vielmehr dem Spieler anzulasten ist, besteht in der hohen Schummelgefahr. Natürlich offeriert ein solches Spiel die Möglichkeit nach Herzenslust zu schummeln. Man kann die Knallerbsen heimlich in eine Ecke des Sacks schieben oder die gewünschte Zutat beim Hinwerfen in den Sack so postieren, dass man sie als erste zieht. Aber das „Problem“ lässt sich durch ein paar kleine Kniffe lösen. Die Säckchen haben auf dem Tisch zu liegen und dürfen nicht unter der Tischkante gehalten werden. Zudem halten alle Spieler den Zugbeutel mit einer Hand am Bund fest und ziehen mit der anderen Hand die Plättchen tief aus dem Beutel heraus. Last but not least werden die Beutel zudem vom linken Nachbarn zu Beginn einer Runde einmal kräftig durchgeschüttelt. Für mich stellt die hohe Schummelgefahr keine ernsthafte Kritik am Spiel dar, da sie sich durch die drei kleinen Maßnahmen lösen lässt ohne den Spielfluss wirklich negativ zu beeinflussen. Das sollte Schmidt vielleicht in einer zweiten Auflage in der Regel ergänzen.

Also beschließe ich die negativen Punkte und möchte nur noch mal erwähnen, dass man eben auch beim Zaubertränke brauen ab und an ein wenig Glück benötigt.


Fazit zu Die Quacksalber von Quedlinburg

Für mich bleibt Die Quacksalber von Quedlinburg DAS Highlight aus dem Frühjahr 2018. Auch wenn es noch zahlreiche andere interessante Titel gibt, sind die Quacksalber für mich sehr überraschend leichtfüßig daher gekommen. Es hat wenige Schwächen und ist das ideale etwas gehobenere Familienspiel. Man kann es mehrfach mit unterschiedlichen Sonderfähigkeiten spielen und verschiedene Strategien austesten. Dazu kommt die B-Seite der Spielertableaus, die noch mal eine weitere Variation mit einem neuen Mechanismus bietet. Das wird also so schnell nicht langweilig. Wolfgang Warsch liefert nach The Mind also auch mit dem großen Frühjahrstitel ein tolles Spiel mit hohem Wiederspielreiz.

 

Vielen Dank an den Verlag Schmidt Spiele für die Bereitstellung des Rezensionsexemplars.

Juni 22nd, 2018 by