Uwe, das liebe Vieh und die Nährwerte – Agricola in der Familienversion von Uwe Rosenberg (Lookout Verlag)

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Das war wirklich ein schweres Jahr für die Eberts. Sie konnten mit ihrem Bauernhof gerade genug erwirtschaften um über die Runde(n) zu kommen. Und wären sie nicht noch zum Betteln in der Stadt gewesen, dann hätte es sicher nicht gereicht. Aber jetzt beginnt ein neues Jahr und es sieht gar nicht schlecht aus: das Feld ist bestellt, die Schäfchen haben Nachwuchs und die Eberts selbst erwarten auch Nachwuchs – andererseits heißt das, dass es noch ein Maul mehr zu stopfen gibt.


So in etwa fühlt man sich auch bei der “kleinen ” Version von Agricola, der Familienversion, die Lookout seit letztem Jahr als eigenständiges Spiel anbietet. Dabei wurde deutlich gegenüber dem Kennerspiel abgespeckt und das Spiel ist so auch schon von deutlich jüngeren Spielern erlernbar.

 

Wie es gespielt wird

Wer Agricola kennt, wird sich schnell zurechtfinden. Jeder Spieler besitzt zu Beginn zwei Bewohner auf seiner kleinen Farm, die er für Aktionen auf dem Spielbrett einsetzen kann. Mit den Aktionen erhält man Rohstoffe (Holz, Lehm, Schilf), Getreide oder auch Vieh (Schafe, sowie in späteren

Sehen noch etwas verloren aus…

Runden auch Wildschweine und Rinder). Außerdem kann man Weiden für die Tierhaltung einzäunen (gegen Abgabe von Holz), ein Feld bestellen oder Getreide auf ein Feld aussäen. Zudem kann man ab der ersten Runde bereits eine kleine Anschaffung erlangen. Wichtig für Kenner des großen Agricola: Das Einzäunen und Bestellen der Felder ist in dieser Version übrigens insofern einfacher, als dass man bei Wiesen und Feldern nicht auf einen Hofplan angewiesen ist, sondern die Feld- und Wiesen-Plättchen einfach vor sich an das Bauernhaus anlegt. Weitere Aktionen werden dann im weiteren Verlauf mit dem fortschreitenden Rundenanzeiger freigeschaltet. Haben nämlich alle Spieler ihre Arbeiter mit Aktionen beschäftigt, schreitet der Rundenanzeiger ein Feld voran und gibt eine weitere Aktionsmöglichkeit frei – eine sehr schöne Vereinfachung des etwas schwieriger planbaren Kartenmechanismus von Agricola. Überschreitet der Rundenanzeiger dabei ein Füllhornsymbol, heißt es: Erntezeit! Dann werden die Feldfrüchte eingefahren, Bewohner ernährt (zwei Nährwerte je Bewohner) und das liebe Vieh bekommt Nachwuchs. Danach geht es in die nächste Runde.

Am Ende der 14. Runde wird noch eine Erntezeit durchgeführt, danach werden die Punkte gezählt. Dabei gibt es einen Punkt je gebautem Plättchen (außer Holzräume), Tier und Getreide auf dem Feld. Rohstoffe im Vorrat geben nur Punkte, wenn man eine entsprechende Anschaffung besitzt (bspw. einen Punkt je zwei Schilf im Vorrat bei Besitz der Korbflechterei). Jeder Bewohner ist zudem drei Punkte wert, jeder Stall auf einer Weide einen weiteren Punkt.

 

Was uns gefallen hat

Agricola – Das Familienspiel macht vieles einfacher als sein großer Bruder. Gerade die häufig als aufwändig und anstrengend wahrgenommene Ernährung

Ein stattlicher kleiner Hof…

der Bewohner wird erleichtert, indem man jederzeit Getreide oder Vieh in Nährwerte umwandeln kann – auch wenn man gerade Tiere von einem der Tierfelder des Spielplans genommen hat. Das reduziert das Frustpotenzial und erleichtert den Zugang für jüngere Spieler oder Wenigspieler. So stellt die Familienversion von Agricola eine Fusion aus der zwei-Spieler-Version, Die Bauern und das liebe Vieh, das voll und ganz auf das Züchten der Tiere fokussiert war, und dem Agricola Kennerspiel dar, dessen Getreidezucht und Ernährungsprobleme es übernahm – aber eben spürbar vereinfacht. Das Material ist in gewohnter Lookout Qualität und die Tier-Figuren und Rohstoffe kommen dem Kenner bekannt vor. Die Arbeiter sind nun echte Bauern-Figuren und schön groß, so dass auch kleine Hände sie gut greifen können.

Die Regel ist glasklar formuliert und lässt keine Fragen offen. Die bekannten “Uwe Hinweise” tun dazu ihr Übriges und lockern die Anleitung gut auf.

 

Was uns nicht gefallen hat

Agricola macht in der Familienversion vieles richtig, um das Spiel einer anderen Zielgruppe zugänglich zu machen. Der Gelegenheitsspieler und Vielspieler wünscht sich allerdings mehr Variabilität bei den Anschaffungen, aber

Spielplan mit Agricola-typischer Optik

dieses “Problem” wurde bei der zwei-Spieler-Version auch recht schnell durch zwei Erweiterungen gelöst. Wer allerdings erwartet, dass die Familienversion in Richtung des großen Bruders tendiert, der wird enttäuscht sein. Es richtet sich eher an Spieler, die Die Bauern und das liebe Vieh schon immer mal zu viert oder mit der ganzen Familie spielen wollten.

Möchte man auf hohem Niveau jammern, hätte man sich noch ein Lospielanleitung wünschen können, die anhand einiger Beispielzüge in das Spiel einführt. So hätten sich Neulinge in der Welt von Agricola sicherlich noch leichter zurechtgefunden und noch einfacher in das Spiel gefunden. Was aber auch hier wieder ein echtes “Problem” ist: Bei exzessiver Tierzucht geht der Nachschub an Tieren schnell zu Ende und man muss sich mit den Pappplättchen behelfen. Das geht zwar genauso gut, schadet aber der Übersicht und macht es etwas buchhalterischer als wenn man jede Runde ein neues Tierchen dazu bekommt. Sicherlich eine preisliche Entscheidung, trotzdem irgendwie schade, wenn die Schafherde zum Teil aus Plättchen bestehen muss. WEn es ernsthaft stört kann sich – sofern im Besitz der entsprechenden Titel – mit Tieren und Rohstoffen anderer Lookout Spiele behelfen.

 

Fazit

Agricola – Das Familienspiel ist eine tolle Fusion aus dem Zwei-Spieler-Spiel und seinem großen Bruder. Die aktuell noch geringe Variabilität löst der Verlag sicher noch durch die eine oder andere Erweiterung mit zusätzlichen Anschaffungen. Insgesamt aber wirklich ein tolles Spiel für die ganze Familie, die alle in die Agricola-Welt einführt und vielleicht den Grundstein legt für das komplexere Caverna oder den großen Agricola Bruder.

Uns hat sich jedoch wirklich nicht erschlossen, warum auf den Covern von Familien- und Kinderspielen neuerdings immer auf irgendwelchen Tieren geritten werden muss. War es bei Stone Age Junior ein Mammut, ist es hier ein Wildschwein. Vielleicht nur ein Augenzwinkern, dass hier die nächste Sau geritten wird?! Oder eine Anspielung auf den Mammut-reitenden Hans im Glück Verlag?! Wir wissen es nicht genau. Aber vielleicht kann mir das bei Gelegenheit ja mal jemand erklären. 😉

Hier geht es zur Verlagsseite von Agricola bei Lookout Spiele…

 

April 12th, 2017 by