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Die meisten Sachen im Leben sollen möglichst bequem sein. Hosen, Internet einrichten, Bahn fahren. Bequemlichkeit steht bei uns Menschen hoch im Kurs.
Auch Spiele, Filme und Bücher mögen viele lieber bequem. Bloß nicht zu viel unbequeme Gedanken machen oder über unbequeme Themen nachdenken. Bei Buch und Film gibt es schon jede Menge unbequeme Inhalte, die uns auch als Konsument fordern. Ein gutes Beispiel für einen solchen Film ist beispielsweise Halt auf freier Strecke, ein Film, der mich sehr getroffen hat.
Bei Brettspielen war das bisher eher unüblich. Spaß und bequeme, leichte Themen beherrschten hier viele Jahrzehnte das allgemeine Bild. Es ging eher um Unterhaltung als um den Diskurs. Doch auch bei Brettspielen setzt ein Wandel ein. Mag es mit dem ständig und überall in der Szene gepriesenen Kulturgut Spiel zusammenhängen oder auch mit der Suche nach aufmerksamkeitsstarken Themen – und nein, das Wort Hitler im Titel alleine reicht nicht, um unbequem zu sein!
This War of Mine – die Brettspielumsetzung eines erfolgreichen Videospiels – machte irgendwie den Anfang. Die Kickstarter-Kampagne sorgte für erheblichen Aufruhr und konnte einiges an Geld einsammeln. Man spielt Überlebende eines Krieges und wird permanent mit schwierigen Entscheidungen konfrontiert, wie sie auch in Kriegszeiten vorkommen. Mein erster Test des Spiels steht noch aus, aber viele Reviewer sind voll des Lobes.
Auch Board and Dice bringt mit The Awakening eine unbequeme Variante eines Escape Rooms, muss man doch einem Mädchen helfen dem Gefängnis des Komas zu entkommen. Hier kommt aber wohl ein gewisser Okkultismus dazu, den ein merkwürdiges Buch kommt auch drin vor – hoffentlich nicht wieder Cthulhu… Auf dieses Spiel bin ich sehr gespannt und werde es mir in Essen auf der Spiel’18 ansehen.

Nun bringt Asmodee mit Holding On: Das bewegte Leben des Billy Kerr ein Spiel auf den Markt, das die Spieler in die Rolle eines Palliativteams schlüpfen lässt. Die Spieler müssen sich um Billy, einen fiktiven Charakter mit einem bewegten Leben, kümmern und auf medizinische Notfälle reagieren. Billy Kerr ist 60 Jahre alt und hat nach einem Herzinfarkt nur noch wenige Tage zu leben. Nicht nur die medizinische Versorgung ist wichtig, auch sein Vertrauen zu gewinnen steht im Mittelpunkt des Spielgeschehens. Denn im Verlauf der zehn zusammenhängenden Szenarien müssen die Spieler Bruchstücke von Billys Lebenserinnerungen zusammensetzen. Stück für Stück erfahren die Spieler so immer mehr über das sorgenvolle Leben ihres Patienten.
Ob das Spiel wirklich eine tiefe thematische Auseinandersetzung mit dem Tod und dem Leben davor erlaubt, bleibt natürlich abzuwarten. Aber das grundsätzliche Thema finde ich schon sehr interessant. Materialtechnisch und von der reinen Anmutung her erinnern mich die ersten Bilder ein wenig an T.I.M.E. Stories. Mal schauen, wie viele Parallelen es spielmechanisch gibt. Auch dieses Spiel werde ich mir auf jeden Fall in Essen ansehen.
Wie steht ihr zu unbequemen Themen in Spielen? Wollt ihr es lieber locker leicht oder findet ihr die kritische Auseinandersetzung mit solchen Themen auch bei Brettspielen gut? Meinungen willkommen…

September 11th, 2018 by Dirk
Hallo Dirk,
interessante Feststellung, dass nun auch unbequeme Spielethemen angegangen werden. Holding On hatte ich vor Deinem Beitrag dabei noch gar nicht auf dem Schirm. Es klingt dann auch tatsächlich interessant.
Überraschend finde ich übrigens solche „schwierigen“ Themen wie in War Of Mine, Awakening etc. nicht. Allgemein scheinen viele Designer auf der Suche nach neuen Ideen abseits vom Mittelalter, Lovecraft, Wikinger etc. zu sein. Das zeigen ja auch zB. die Escape Room Spiele oder auch die kommenden Deductionspiele Detective und Chronicles Of Crime.
Überraschend finde ich aber, dass diese „schwierigen“ Spiele auf deutsch und in großen Verlagen herauskommen, denn ich wage nicht abzuschätzen, ob im sehr Workerplacement- und Siedler-lastigen Deutschland dafür ein grösserer Markt besteht. Ich habe mir zB. This War Of Mine nur deshalb noch nicht zugelegt, weil ich bei dem Thema absolut keine Mitspieler dafür hätte (und nicht noch ein komlexes Solospiel im Regal haben möchte).