Das gibt’s doch nicht! Oder: Warum Brettspiele nicht immer verfügbar sind…

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Der ein oder andere kennt das: Man kommt von der größten Brettspielmesse der Welt nach Hause. Der Kopf ist voller Erlebnisse und Eindrücke. Die Taschen sind voller Spiele. Und dann ist da dieses eine Spiel, das man nicht gekauft hat, weil [hier bitte Grund einsetzen]…

Ein paar Wochen später steht der Entschluss fest: Ich muss dieses Spiel doch noch haben! Also wird das Spiel im loaklen Handel gesucht oder online bestellt. Doch dann die Ernüchterung: das Spiel ist erst gar nicht verfügbar oder die Lieferung verzögert sich. Bei dem ein oder anderen Titel kann sich das dann schon mal Wochen und Monate hinziehen. Ärgerlich für den Kunden, aber auch für den Verlag. Denn der Kunde ist natürlich unzufrieden und wird das Spiel im Zweifel gar nicht mehr kaufen.

Zwei Titel des Jahrgangs 2017 teilen sich dieses Schicksal: Azul (plan b games / Pegasus) und Rajas of the Ganges (Huch!). Aber warum ist das so? Und warum machen die Verlage nichts dagegen? Dieser Frage möchte ich mal nachgehen und habe mit einer Betroffenen gesprochen, Andrea Stadler von Hutter Trade, wozu auch der Verlag HUCH! gehört, der Rajas of the Ganges herausgebracht hat.

Kleine Randnotiz: Kurz nach dem Interview traf die neue Auflage von Rajas bei HUCH! ein (3.5.2018) und kann in Kürze an den Handel ausgeliefert werden.


Hallo Andrea, zunächst stell dich doch mal kurz vor und erzähle den Lesern kurz was du bei HUCH! tust und ob bzw. was du persönlich am liebsten spielst.
Hallo, ich bin seit 3 Jahren mit einer Kollegin für Marketing & PR bei HUCH! verantwortlich. Wir sind von klassischen Anzeigen, Werbemitteln, Produktfilmchen über Journalistenkontakte bis zum Messeauftritt überall dabei. Ich spiele auch privat gerne, wobei die meistgespielten Titel eher Kinderspiele sind, da zu unserem Haushalt auch ein vierjähriger Nachwuchsspieler gehört, der schon beim Aufstehen verkündet, dass er „ganz viel spielen will!“. Aber abends oder auf Spielewochenenden komme ich auch mal zu längeren Spielepartien. Ich mag sowohl kleine flotte Spiele wie „Noch mal!“ als auch kernige Spiele. Ein „Rajas of the Ganges“ kommt bei uns natürlich auch gerne auf dem Tisch, aber mit richtig viel Zeit darf es auch „Pandemic Legacy Season 2“ sein.

Zunächst mal eine grundsätzliche Frage zum Verlag Huch!, der vormals Huch & Friends hieß. Was hat es denn mit der Umfirmierung auf sich gehabt?
Die Umfirmierung war einfach dem Lauf der Zeit geschuldet. Mit einem Markennamen wie HUCH! & friends wird man nie korrekt zitiert und oft kennen selbst die Rezensenten nicht den kompletten Markennamen (in deiner Frage ist der Name auch falsch geschrieben ;-)…). Im Zeitalter von Hashtags sind Sonderzeichen natürlich auch ein Graus und so wurde es Zeit, unsere Marke ein wenig zu verschlanken. Das Ausrufezeichen ist geblieben, aber wir verbinden damit auch gerne die Möglichkeit, laut „HUCH!“ zu rufen – dafür gibt es im Laufe des Tages immer eine Möglichkeit.

hutter trade logo

Logo der HUTTER Trade

Und wie hängt der Verlag dann mit Hutter Trade zusammen und was macht/ist Hutter Trade eigentlich?
Das Konstrukt ist für viele Außenstehende undurchsichtig aber wir bemühen uns Klarheit zu verschaffen, also: Die Hutter Trade ist eine Vertriebsgesellschaft und somit das „große Ganze“. Unter der Hutter Trade laufen sowohl die eigene Marke HUCH!, deren Spiele in unserem Haus entwickelt werden, als auch Titel von Vertriebspartnern. Vertriebspartner sind für uns internationale sowie auch nationale Hersteller, deren Produkte wir in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf den Markt bringen. In diesem Fall steht der Hersteller im Vordergrund und das Hutter Trade Logo findet sich nur klein auf der Schachtelrückseite. Im Laufe der Zeit haben wir eine schöne Bandbreite an unterschiedlichen Partnern gewonnen wie IELLO, LOKI, Rory’s Story Cubes, Gmeiner, Megableu, Fotorama und viele weitere.

Kommen wir zum Anlass des Gesprächs – Verfügbarkeit von Brettspielen. Zunächst mal die konkrete Frage: Ab wann dürfen sich Kunden denn nun auf ihr Rajas of the Ganges freuen?
Ab Mai ist es endlich soweit und wir können den Handel wieder mit „Rajas of the Ganges“ versorgen.

Wie muss man sich das eigentlich vor so einer Messe wie der Spiel in Essen denn vorstellen? Wie hoch ist die Auflage von einem Spiel in der Regel und wie schätzt ihr denn die zu produzierende Menge im Vorfeld?
Bei der Auflage richten wir uns immer nach vergleichbaren Titeln aus unserem Programm und schätzen so die benötigte Menge ein. Die Auflage ist aber auch davon abhängig, ob wir z.B. schon Distributoren in anderen Ländern haben, die gleich an der Startauflage beteiligt sind. Entsprechend höher fällt die Gesamtauflage aus, die sich dann jedoch auf verschiedene Länder verteilt. Grundsätzlich ist das Bestimmen der Auflage nie einfach – der Spielemarkt ist mehr als gut gefüllt und jedes Jahr drängt eine Vielzahl neuer Titel nach. Ob sich das eigene Spiel von der Masse abheben kann, ist im Vorfeld nicht immer einfach zu beurteilen. Und wenn sich ein Spiel nicht „durchsetzt“ kann man als Hersteller auch leicht einmal auf einer zu großen Auflage sitzenbleiben.

Das heißt ihr ordert dann diese konkret festgelegte Auflage beim Hersteller und bestellt erst wieder nach, wenn alles weg ist bzw. kurz vorher?
Wir kontrollieren die Lagermengen regelmäßig und merken natürlich auch, wenn ein Spiel besonders oft nachgefragt wird. Dann ist es abhängig von den Produktions- und Lieferzeiten, wann die nächste Auflage in den Druck gehen kann. Oft gibt es ja auch Bestandteile, die von unterschiedlichen Herstellern stammen und dementsprechend koordiniert müssen.

Wo werden denn die Spiele, die unter dem Verlag Huch! erscheinen in der Regel eigentlich produziert?
In der Regel bevorzugen wir Produktionen in Europa, schon allein aufgrund der Lieferwege. Man muss aber auch beachten, dass die unterschiedlichen Hersteller verschiedene Schwerpunkte haben oder manche Bestandteile nicht liefern können. In diesem Fall muss der entsprechende Inhalt „beigestellt“, d.h. separat angeliefert werden. Gerade Kunststoffteile, die primär in Asien produziert werden, müssen oft beigestellt werden. Alternativ wählt man für die Produktion gleich einen Produzenten in Asien aus. Dann muss zwar nichts beigestellt werden, aber man muss auch längere Lieferzeiten in Kauf nehmen. Die Frage der Produktionsstätte richtet sich für uns also immer nach dem Inhalt des jeweiligen Spiels.

Rajas of the Ganges

Stein des Anstoßes – Rajas of the Ganges von Inka und Markus Brand

Nun ist Rajas of the Ganges vor etwa einem halben Jahr erschienen und ich kenne persönlich auch jemanden, der bis heute sein bestelltes Exemplar nicht erhalten hat. Was ist denn in dem Fall genau schief gelaufen?
Hättest du uns das im November gefragt, hätte ich breit lächelnd gesagt: Nichts läuft schief, sondern alles ganz wunderbar. Wir wurden von der Nachfrage in Essen und kurz danach regelrecht überrannt. Das ist ja an sich sehr schön, aber dementsprechend musste auch so schnell wie möglich die nächste Auflage in Auftrag gegeben werden. Ihr erinnert euch an Bestandteile aus Kunststoff, die in Asien produziert werden, und habt bereits eine Ahnung, wo der Stolperstein liegt?! Genau, die Rajas-Würfel sind aus Kunststoff, und das komplette Spiel wird in Asien produziert. Damit sind wir automatisch bei einer längeren Lieferzeit von ca. 12 Wochen. Jetzt werden die ersten schon beginnen zu rechnen und sagen: Wenn ihr im November wusstet, dass das Spiel gut läuft, hätte die Nachproduktion ja im Januar oder spätestens Februar da sein müssen. Das war auch unser Plan.

Manchmal hat man aber einfach Pech. Oder zu wenig Karma, wie in unserem Fall … Es gab Verzögerungen in der Produktion, die Würfel wurden nicht rechtzeitig fertig. Dann gab es eine Verkettung von unglückseligen Umständen, die dazu geführt haben, dass wir tatsächlich sehr kurzfristig informiert wurden, dass die Spiele nicht in den gebuchten Container verladen wurden und sich somit weiter verspäten. Etwas Vergleichbares ist uns noch nie passiert. Und da die Spiele eben nun mal in Asien standen, waren uns auch die Hände gebunden.

Eine sehr ärgerliche und ernüchternde Situation. In unserem Fall kommt hinzu, dass wir in den Vorjahren hauptsächlich Kennerspiele von Partnern im Vertrieb hatten. Mit der Veröffentlichung von Ulm (2016) konnten wir endlich auch ein Kennerspiel auf den Markt bringen, dass von unserer Redaktion betreut wurde. Rajas of the Ganges sollte daran anknüpfen und hat Ulm sogar übertroffen. Dass es dann so gut laufen würde, dass wir sofort ausverkauft sind UND sich die neue Auflage eklatant verspätet – DAS hätten wir uns bis November letzten Jahres nicht ausgemalt…

Wie häufig kommen solche Extremsituationen bei euch bzw. generell denn vor?
Vor Rajas of the Ganges: Noch nie! Wir hatten vor vielen, vielen Jahren die skurrile Situation, dass eine Produktion in Asien auf den LKW verladen wurde und vor der Verschiffung einfach spurlos verschwand. In diesem Fall waren die Auswirkungen aber nicht so gravierend. (Die Spiele gelten übrigens bis heute als vermisst.)

Nun gibt es ja auch Fälle, die nicht ganz so krass sind, wie zum Beispiel die etwas verwirrende Siegpunktleiste von Arve D. Fühlers TA-KE. Korrigiert ihr sowas bei einer evtl. zweiten Auflage denn dann auch in der Regel?
Es gibt natürlich immer wieder mal Fälle, in denen ein funktionales Element, wie etwa die Siegpunktleiste in TA-KE, thematisch so verschönert wird, dass es für die Spielmechanik nicht unbedingt hilfreich ist. Unsere Redaktion führt für diese Fälle eine Liste, in der für jedes Spiel dokumentiert wird, was bei Nachauflagen berücksichtigt werden muss. Bei TA-KE ist ganz klar, dass die Siegpunktleiste überarbeitet wird: Wir werden die Größe der Felder verbessern und die Beschriftung der Siegpunktleiste so anpassen, dass es hier keine Verwirrungen mehr geben wird.

Bildergebnis für loki brandora

LOKI ist eine neue Marke für Kinderspiele

Was dürfen wir denn von Huch! dieses Jahr noch so erwarten? Steht noch ein großes Spiel an? Und was steht uns bei der neuen Kinderspielmarke LOKI (entwickelt von IELLO) noch bevor?
Im Herbst wird es natürlich noch so einige Neuheiten geben, allen voran das neue Spiel von Stefan Feld und Michael Rieneck Forum Trajanum. Im 2-Spieler-Bereich erscheint Fenix, ein abstraktes Strategiespiel, und für Familien kommt z.B. Outback von Michael Kiesling. Außerdem werden wir einige IELLO-Titel, die bereits in Nürnberg vorgestellt wurden, auch auf dem deutschen Markt veröffentlichen, wie z.B. 8 Bit Box, Downforce und Raids. Von LOKI wird es im Herbst einen Ausblick auf 2019 geben sowie in Essen die Möglichkeit, LOKI-Prototypen zu spielen.

Andrea, vielen Dank für die offene und ausführliche Beantwortung der Fragen.

Mai 7th, 2018 by