Pferde für die Gauchos – Interview mit Arve D. Fühler

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Mit seinem Spiel El Gaucho legte Arve D. Fühler 2014 ein familientaugliches Spiel vor, bei dem sich alles um südamerikanische Rinderbarone und die Zusammenstellung möglichst wertvoller Rinderherden dreht. Zentraler Antrieb von El Gaucho ist ein Würfelmechanismus, bei dem man durch das Auswählen zweier Würfel versucht die wertvollsten Rinder zu ergattern. Apropos ergattern, das besondere Feature an seinem Spiel ist das kleine Gatter in das man die Würfel wirft. Das sieht nicht nur einfach toll aus, sondern ist praktisch (Würfel werden in Zaum/im Zaun gehalten) und hat einen hohen Aufforderungscharakter. Und wer mag, kann sich das Gatter ja mal genau anschauen, vielleicht entdeckt ihr ja eine Liebeserklärung ;-). Neben diesem Würfeln und Sammeln kann man seine Gauchos noch zu verschiedenen Gebäuden entsenden, die den Spielern dann Sonderaktionen im weiteren Spielverlauf ermöglichen.

Im selben Jahr wie El Gaucho erschienen auch seine Spiele Scharfe Schoten (Huch&Friends) sowie Pagoda (Pegasus Spiele) und dann dieses Jahr noch Skibe (Huch&Friends).
Aktuell arbeitet Arve an einer ersten Erweiterung für El Gaucho, die 2017 erscheinen soll. Bisher erschien nur ein kleine Promo-Erweiterung (Die Futtersäcke), die im Rahmen von Matthias Nagys Brettspiel Adventskalender 2015 veröffentlicht wurde (mehr zum Adventskalender auch an dieser Stelle im Blog). Die neue Erweiterung fügt dem Spiel unterschiedliche Module hinzu, die flexibel in das Spiel integriert werden können. Mit Arve haben wir den Prototyp der Erweiterug gespielt und mit ihm über die neuen Module, den Prozess der Ideenentwicklung und seine weiteren Pläne gesprochen. Und das El Gaucho Kartenspiel hatte er dann auch noch dabei…

Die Bilder zeigen verschiedene Prototypen-Stadien von El Gaucho, die Arve uns zur Verfügung gestellt hat. Das Bild des aktuellen Prototyps der Erweiterung sowie die weiteren Bilder stammen aus der Spieletest-Runde vom 15.12.2016.


Mit El Gaucho hast du einen tolles Spiel mit einem familientauglichen Thema herausbringen können. Nun steht die erste richtige Erweiterung in den Startlöchern. Was wird uns dabei in etwa erwarten?

Bei der Erweiterung handelt es sich um mehrere Module auf die alle El Gaucho Fans gespannt sein dürfen. Ich verrate schon mal soviel:

Es wird ein Modul für einen 5ten Spieler geben. Dazu braucht man natürlich noch zusätzliche Tiere damit jeder Spieler genug Herden zusammen stellen kann. Aber es kommen nicht einfach 12 neue Rinder ins Spiel sondern es gibt eine neue Tierart: Pferde! (Oh ja, Gauchos lieben Pferde) Pferde haben einen anderen Wertungsmechanismus als Rinder und können eine Menge Pesos/Siegpunkte einbringen, daher sind sie auch immer stark begehrt und umkämpft. Und wer einmal die Pferde kennengelernt hat, wird sie lieben und nie mehr ohne sie spielen wollen.

Auch der Würfelmechanismus ist im Spiel zu fünft leicht modifiziert. Es gibt Würfel, die allen Spielern zur Verfügung stehen. Das macht die Würfelauswahl interessanter und erhöht ein wenig die Chancengleichheit – besonders für die hinteren Spieler.

Das schöne an dem 5-Spieler-Modul ist, das man es auch mit weniger Personen spielen kann. Für die Pferde wird einfach eine Rinderrasse aus dem Spiel entfernt. Möchte man eine längere Partie El Gaucho spielen, kann man auch einfach die Pferde hinzufügen.

Erste Einblicke in die Erweiterung von El Gaucho

Ein weiteres Modul ist der „Leiharbeiter“ (Arbeitstitel). Diesen kann man zu Beginn jeder Runde ersteigern. Und zwar mit Pesos! Denn jeder Spieler startet mit einer bestimmten Summe an Pesos – also Siegpunkten –, die er investieren kann. Wer den Leiharbeiter ersteigert, hat am Rundenende einen großen Vorteil, denn der Leiharbeiter macht seinem Namen alle Ehre. Ein kleines aber feines Modul, das die Interaktivität durch die Versteigerung steigert.

Und da wir gerade bei Pesos sind: das dritte und „größte“ Modul wird ein „Aktionstableau“ sein. Darauf sind vier neue Gebäude abgebildet, die allerdings noch im Rohbau sind. Du kannst in diese Gebäude investieren – mit Pesos – und sie ausbauen. Jedes fertige Gebäude bringt dir pro Runde eine zusätzliche Aktion. Und hast du alle Gebäude vollendet wartet noch eine weitere Zusatzaktion auf dich. Allerdings sind diese Zusatzaktionen ziemlich stark, daher kostet ihre Anwendung jedes Mal weitere wertvolle Pesos.

Mit dem Leiharbeiter und den neuen Gebäuden kommt ein, wie ich finde, wirklich schöner Wirtschaftsaspekt in das Spiel. Da dein Vorrat an Pesos irgendwann erschöpft ist, musst du relativ früh Herden verkaufen, um an frisches Geld zu kommen – ein schönes Dilemma. Außerdem hast du pro Zug viel mehr Aktionsmöglichkeiten. Das macht El Gaucho noch taktischer, spannender und für Vielspieler wirklich interessant.

Das sind die Erweiterungen an denen wir – also der Argentum Verlag und ich – aktuell arbeiten. Ich hoffe, das sie dann 2017 erhältlich sein werden. Es gibt natürlich noch weitere Modul-Ideen, von denen manche auch schon getestet sind … aber eins nach dem anderen.

 

Modulare Erweiterungen sind aktuell ein Trend in der Branche. Was fandest du im Vergleich zu einer großen Erweiterung daran so reizvoll?

Ich persönlich mag modulare Erweiterungen. Man kann sie je nach Spielergruppe, nach Spielerfahrung und auch nach benötigter Zeit dosieren und kombinieren. Außerdem ergeben sie in unterschiedlichen Konstellationen meistens ein anderes Spiel, bzw. verlangen sie eine andere Taktik oder Strategie. Das finde ich spannend.

Für El Gaucho hatte ich ehrlich gesagt nie über eine „große“ Erweiterung nachgedacht. Das Spiel ist in meinen Augen immer noch ein (gehobenes) Familienspiel und daher war es mir ein Anliegen das Spiel nicht zu weit aufzubrechen, sondern den Spielern einfache und flexible Möglichkeiten zu bieten El Gaucho anders, bzw. neu zu spielen – mit möglichst wenig Regeln. Aber trotzdem denke ich, dass mit den neuen Modulen – besonders mit dem Aktionstableau – viel mehr Spieltiefe und neue Spielaspekte in El Gaucho kommen.

 

Wie kommst du auf die Ideen für die Erweiterungen? Hast du die schon in der Schublade, also beispielsweise Ideen aus dem vorherigen Entwicklungsprozess, oder entwickelst du die einzelnen Dinge komplett neu?

Es war so, dass mich der Argentum Verlag direkt auf Erweiterungen für El Gaucho angesprochen hatte. Ich habe mich also hingesetzt und unterschiedlichste Ansätze am Schreibtisch entwickelt. Das ist ein normaler kreativer Prozess: wenn es gut läuft, sprudeln die Ideen, wenn es schlecht läuft, ist es eine Quälerei – es lief gut. Ich hatte in kurzer Zeit einen Haufen beschriebenes Papier mit ganz vielen Ideen und Ansätzen.
Und nein! Es waren keine Ideen aus der Entwicklungsphase dabei. Allerdings gab es bei einem frühen Prototyp schon mal Pesos als Währung – aber das war dann doch ganz anders.

 

Wie testet du deine neuen Ideen? Erst mal alleine oder gleich in einer größeren Runde?

Ich teste ungern und ganz selten alleine – höchstens dann, wenn es um rein mechanische Dinge geht. Ich finde es wichtig von Anfang an zu sehen, wie andere Menschen mit einer Idee, mit einem Thema oder mit einem Mechanismus umgehen und wie sie das Spiel spielen – das beeinflusst schon oft sehr früh die weitere Entwicklung eines Prototypen. Schließlich entwickele ich die Spiele ja nicht für mich, sondern damit sie von möglichst vielen Menschen gespielt werden.

Schon mit Gatter – Prototyp von El Gaucho

Normalerweise entsteht ein Prototyp bei mir erst in Gedankenarbeit. Habe ich ein schlüssiges Konzept im Kopf, schreibe ich es erst mal auf. Danach entsteht dann ein erster rudimentärer Prototyp, den ich meistens mit meiner Frau und manchmal auch mit den (inzwischen großen) Kindern teste – in der Familie ist die Toleranzgrenze sehr hoch. Hat der Prototyp die ersten Schritte gemacht, weite ich die Tests auf gute Spielerfreunde aus, dann geht es in Spielkreise und öffentliche Spieleveranstaltungen bis hin zu den Verlagen.

 

Apropos, was treibst eigentlich neben dem “Hobby” Spieleautor so beruflich? Ich vermute mal, dass du noch nicht davon leben kannst.

Ich habe Kommunikations-Design studiert und arbeite als Creative-Director in einer Frankfurter Werbeagentur. D.h. ich entwickele Ideen, Konzepte sowie alles Visuelle für unsere Kunden – für die digitale und für die analoge Welt. Das schöne daran ist, das sich das Berufliche und das Spielentwickeln in sehr vielen Bereichen überschneidet.

 

Wie viel Zeit verwendest du etwa auf das Entwickeln und Testen der Spiele pro Woche oder Monat?

Früher Entwurf zu El Gaucho

Ich investiere schon sehr viel Zeit. Allerdings differenziere ich dabei zwischen passiver Zeit und aktiver Zeit. In der passiven Zeit denke ich viel nach, konstruiere, formuliere und fabuliere im Kopf – sehr oft beim Autofahren. Aktive Zeit heißt Prototypen erstellen, Regeln schreiben, testen, auswerten, anpassen, usw. Zusätzlich kommt natürlich noch das „laufende Geschäft“ – also z.B. Interviews beantworten ;-), Kontakte mit anderen Autoren und Verlagen pflegen sowie die Arbeit im Vorstand der SAZ (Spiele-Autoren-Zunft). Ich mag das gar nicht zusammenrechnen, aber pro Woche sind das ca. 10 bis 20 Stunden – zusätzlich zu einer 60-Stunden Arbeitswoche. Und doch ist das viel zu wenig Zeit um all die Ideen umzusetzen, die ich auf dem Zettel habe. Wer meinen Blog besucht wird feststellen, dass dort seit Februar 2016 nichts passiert ist. Da bin ich sehr traurig drüber, aber ich stecke im Moment jede freie Minute in die Spieleentwicklung.

 

Ich stelle mir das toll vor, wenn ein Spiel von sich selber im Regal eines Händlers steht oder man es im Online Handel sieht. Aber wie geht man damit um, wenn ein Spiel bei der Kritik mal nicht so gut ankommt? Einfach abhaken oder trifft dich das sehr?

Oh, das bin ich gewohnt 😉 Pagoda ist in Deutschland ziemlich durchgefallen, Scharfe Schoten ebenso und aktuell bekommt Skibe auch nicht die besten Kritiken. Aber das ist auch immer relativ.

Der deutsche Markt und speziell der Vielspielerbereich ist schon sehr eigen in seinen Vorlieben und zum Teil leider auch sehr eingefahren. Oftmals werden Spiele nur an den eigenen Kriterien und Interessen gemessen und nicht daran, was das Spiel eigentlich sein will. Das sei ja jedem zugestanden, aber wenn das Meinungsbildner wie Journalisten, Blogger, Podcaster etc. tun, finde ich das schon sehr schade.

Das ist jetzt kein Jammern oder Wehklagen meinerseits. Schaue ich zum Beispiel die Kritiken zu meine Spielen auf BoardGameGeek an, sind diese schon sehr polarisierend – von ganz schlecht bis super. Das finde ich gut, denn für mich heißt das: meine Spiele sind nicht langweilig und es gibt genug Menschen, die daran Gefallen haben – und das ist was für mich zählt und was mich motiviert. Und auch wenn ein Spiel in Deutschland nicht so gut läuft oder ankommt, sagt das noch nichts über den internationalen Markt aus. In anderen Ländern werden die gleichen Spiele oft anders gespielt – manchmal auch mit etwas mehr Spaß!

 

Zum Schluss bleibt nur noch die Frage, was noch so in Arves Köcher ist. Auf was dürfen wir uns neben der Erweiterung für El Gaucho freuen? Hast du noch was “Großes” in Vorbereitung?

Was heißt denn etwas „Großes“?! Ich versuche ja meistens Größe im „Kleinen“ zu schaffen. Aber tatsächlich arbeite ich an einem – für mich – größeren Spiel: „Capone City“. Nach ca. zwei Jahren Entwicklungszeit ist das Spiel für mich so ziemlich auf der Zielgeraden. Ich bin aktuell in den letzten Testphasen, bevor der Prototyp (erneut) an Verlage geht. Aber bis zu einer Veröffentlichung ist es sicherlich noch ein langer Weg.

Prototyp des El Gaucho Kartenspiels

Im Frühjahr 2017 wird bei Huch! & friends ein weiteres 2-Personen Spiel von mir erscheinen: „TA·KE“. Ein äußerst taktisches Spiel, eingebettet in einem japanischen Setting. Da freue ich mich wahnsinnig drauf, weil ich es für eines meiner bisher besten Spiele halte. Und die Zusammenarbeit mit der Redaktion von Huch! & friends macht enorm Spaß und ist immer eine Freude. Das wird ein tolles Ding.

Außerdem bin ich aktuell dabei „El Gaucho – Das Kartenspiel“ zu testen. Das läuft schon ziemlich rund und macht mächtig Spaß. Was aber damit passiert und ob das Spiel beim Argentum Verlag veröffentlicht wird kann ich noch nicht sagen. Das steht noch im argentinischem Sternenhimmel.
Und da sind dann noch einige weitere Prototypen an denen ich aktiv arbeite. Mir wird also so schnell nicht langweilig.

 

 

Dezember 22nd, 2016 by